Sie ist rätselhaft und viel älter als er... und sie wird seine Leidenschaft. Eines Tages ist Hanna (Kate Winslet) spurlos verschwunden. Erst Jahre später trifft Michael (David Kross/Ralph Fiennes) sie wieder - als Angeklagte im Gerichtssaal. Hier erfährt er von ihrem persönlichen Schicksal und von ihrer grausamen Vergangenheit als KZ-Aufseherin. Am Ende wird er sie durch seine Zuneigung erlösen, die er sich all die Jahre bewahrt hat.

Die Dreharbeiten zu „The Reader" standen unter einem schlechten Stern. Die beiden Produzenten Anthony Minghella und Sydney Pollak starben im Abstand von nur wenigen Monaten. Ein weiterer Produzent verliess das Projekt aufgrund Differenzen mit der Produktionsfirma. Dass es unter solch schwierigen Bedingungen trotzdem möglich ist, einen grossartigen Film zu realisieren, zeigt der in England geborene Regisseur Stephen Daldry auf eindrückliche Weise. Grundlage bot der semi-autobiographische Roman des Jura-Professors Bernhard Schlink aus dem Jahre 1995. Als erstes deutsches Buch auf dem Spitzenplatz der New York Times-Bestsellerliste widmet sich „The Reader" so kontroversen Fragen wie "In welchem Mass ist es möglich, die Verbrechen der deutschen Faschisten zu verstehen?" Doch Stephen Daldrys Adaptierung von „The Reader" ist nur zwischen den Zeilen ein Holocaustdrama. Nie moraiisierend, aber immer konzentriert auf die Zerrissenheit der Gefühle verfolgt Daldry die Liebes- und Leidensgeschichte von Hanna und Michael (der deutsche Shootingstar David Kross spielt den jungen, Ralph Fiennes den erwachsenen Michael). Wie bereits in seinem Meisterwerk „The Hours" legt Daldry die Geschichte auf mehreren Zeitebenen an. Auch wenn eine gewisse Sentimentalität nicht zu übersehen ist, so ist es dem Regisseur gelungen, jede Form von Versöhnung und Verzeihung zu vermeiden. Dank der herausragenden Leistung von Kate Winslet - den Oscar für die beste Hauptrolle hat sie mehr als verdient - kann Daldrys Drama zu Recht als kleines Meisterwerk bezeichnet werden.

Fazit:

„The Reader" ist weit mehr als ein weiterer Film über die Verbrechen während der NS-Zeit. Stephen Daldrys Drama ist weniger ein Film über Taten, als vielmehr ein Film über die Kraft der Worte. Ein kleines Meisterwerk für Kinogänger mit Faible für grosse Gefühle. Und solche, die gerne zwischen den Zeilen lesen...

Isabella Fischer