Peepli (Live): Medien- und Sozialkritik jenseits von Bollywood. Tragikomödie, die nachdenklich stimmt (Trailer und Filmkritik)
Inhalt: Nathas Familie hat schlechte Ernten hinter sich. Nun soll auch noch ihr Land zwangsversteigert werden. Natha (Omkar Das Manikpuri) und sein Bruder sehen nur noch eine Lösung: einer von ihnen muss sich das Leben nehmen, damit die Familie monetär entschädigt wird. Denn der Staat verteilt grosszügig Prämien für jene Bauern, die ‚freiwillig‘ Selbstmord begehen. Just zu dieser Zeit stehen regionale Wahlen an, und hochrangige Politiker suchen Nathas kleines Dorf Peepli auf. Was ein Bauernselbstmord unter Tausenden hätte sein können, wird plötzlich zu einem Medienhype, von dem alle profitieren wollen. Im ganzen Chaos interessiert sich am Ende niemand mehr für Nathas Gefühle und sein Schicksal.
Kritik: Produzent von „Peepli (Live)“ ist kein Geringerer als Indiens Schauspieler-Superstar Aamir Khan, seit „Lagaan“ international bekannt. Für einmal bietet sich hier dem geneigten Kinogänger kein bonbonbuntes Spektakel mit gutaussehenden Darstellern nobler Herkunft. In „Peepli (Live)“ dreht sich alles um die unterste Kaste, die Bauern. Keine Lobby, kein Geld, keine Zukunft. Mit schwarzem Humor und viel indischer Theatralik inszenierte die Dokumentarfilmerin und ehemalige TV-Produzentin Anusha Rizi ihren ersten Spielfilm. Dabei ist es ihr gelungen, ein ernstes Thema ohne jegliche Belehrungen, aber mit viel Witz und einer grossen Schar an mehr oder minder begabten Laiendarstellern auf die grosse Leinwand zu bringen.
Fazit: Nicht alles, was aus Indien kommt, hat Bollywood-Genre-Charakter. „Peepli (Live)“ ist (indisches) Kino der ungewöhnlichen Art. Und gerade deshalb ausschliesslich dem anspruchsvollen Cinéasten zu empfehlen.
Inside: Die Zahl der Selbstmorde von Bauern in Indien wird auf etwa 17‘000 pro Jahr geschätzt. Die verheerende Lage der Landwirtschaft, klimatisch bedingte Ernteausfälle und tiefere Importzölle werden dafür verantwortlich gemacht. Zudem gefährdet der unsachgemässe Gebrauch von Pestiziden die Ernten, und die zwangsweise verordnete Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut verschärft die Situation zusätzlich. So sehen viele Bauern den Selbstmord als einzige Lösung, um sich aus dem Teufelskreis stetiger Verschuldung zu befreien.
Isabella Fischer
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