Das Leben der Hildegard von Bingen (Barbara Sukowa) spielte sich vornehmlich in zwei Klöstern ab: Die ersten acht Lebensjahre verbrachte sie im Benediktinerkloster Disibodenberg, ab 1147 in dem von ihr gegründeten Kloster Rupertsberg bei Bingen. Zweifellos war Hildegards schwierigste Zeit jene in Disibodenberg - hier erfolgte auch ihre Wahl zur Äbtissin - bis zur Gründung des eigenen Frauenklosters. Die Regisseurin Margarethe von Trotta hat diese Zeitspanne filmisch zum Leben erweckt. Hildegard verstand es, mit Hilfe ihr ergebener Vertrauter wie Volmar von Disibodenberg (Heino Ferch) und Richardis von Stade (Hannah Herzsprung), aber auch dank geschicktem Taktieren mit mächtigen Kirchenmännern und Fürsten, ihren Willen durchzusetzen. Diese erste Mystikerin des Mittelalters war nicht nur eine Frau mit Visionen, eine Musikerin und Medizinerin, sie hatte auch ein Wesen, das zwischen Demut und Hochmut hin und her schwankte.
Eben dies will Trotta mit ihrer Interpretation der Hildegard zeigen. Was ihr jedoch nur bedingt gelingt. Mit Barbara Sukowa in der Rolle der Hildegard fand Trotta zwar genau den richtigen Mix an Herbheit, Schalk und Raffinesse, die eine Äbtissin inmitten von patriarchalischen Männern und intriganten Frauen benötigt. Leider lenken aber Details wie die zum Teil grotesken Kostümierungen - Sunnyi Melles als Mutter der Richardis hätte Besseres verdient - von den starken inhaltlichen Aussagen des Filmes ab. Die Männer hinterlassen in diesem Film keinen guten Eindruck, was jedoch nicht weiter stört. Denn so kann man sich ganz auf das subtile Spiel der Barbara Sukowa konzentrieren.
Fazit: Ein Film, dessen Stärke im Inhaltlichen liegt, sofern man sich nicht von Äusserlichkeiten ablenken lässt.
Juliana Schwager-Jebbink
Vision-Aus dem Leben der Hildegard von Bingen / historisierende Biografie / Deutschland 2009 / Regie: Margarethe von Trotta / mit Barbara Sukowa, Heino Ferch, Hannah Herzsprung, Sunnyi Melles u.a. / Verleih: Filmcoopi / 112 Minuten / Kinostart: 10. Dezember 2009