Schrieb man 1894 oder 1895, als die kleine Gabrielle Chanel vom Vater an der Pforte des Waisenhauses Obasine abgesetzt wurde? Man weiss es nicht genau. Chanels Biografie ist schillernd. Sie wollte es so. Die kleine Putzmacherin träumt mit ihrer schwesterlichen Tante Adrienne von einer Sängerinnenkarriere in Paris als «Coco aus dem Trocadéro». Ihr erster Liebhaber, Etienne Balsan, zuerst Offizier dann Pferdezüchter, versucht ihr eine Tür zu öffnen, aber die Stimme ist zu dünn und ebenso die Figur. Als Coco mit ihren einfachen, aber raffinierten Hüten und Kleidern auffällt, weiss sie, was sie will: Mode entwerfen und einen neuen Stil lancieren. Dazu stellt ihr ihre grosse Liebe, der englische Emporkömmling «Boy» Capel, die Finanzen zur Verfügung. Doch bedacht auf seine eigene Karriere, will er Coco nicht heiraten. Und so erobert sie aus eigener Kraft die höchsten Gipfel der Haute Couture.
Audrey Tautou in der Rolle der Chanel ist für die Regisseurin Anne Fontaine ein Glücksfall. Tautou hat nicht nur eine verblüffende Ähnlichkeit mit der jungen Coco, sondern bringt auch in Mimik und Gestik die Willensstärke und eiserne Disziplin zum Ausdruck, die Coco zur Marke Chanel werden liessen. Das Umfeld, welches Gabrielle zur allseits bewunderten Modeschöpferin machte, Etienne Balsan (Benoît Poelvoorde), Boy Capel (Allessandro Nivola), die engste Verwandte Adrienne (Marie Gillain) und die schillernde Emilienne d'Alençon (Emmanuelle Devos), ist in diesem Film nicht mehr als eine «Notwendigkeit», um die Bedeutung des eigentlichen Zentrums «Coco» in allen seinen Facetten zu betonen. Die Biografie von Edmonde Charles-Roux wird zwar als Vorlage erwähnt, doch im Film geht es nicht um Daten und Fakten. Will man solche, dann bietet «Chanel Solitaire» von George Kaczender aus 1981 eindeutig mehr. Die Regisseurin will uns hinter die Fassade der «Grande Mademoiselle» blicken lassen. Da Chanel dies zu Lebzeiten nie zuliess, kann es aber auch Anne Fontaine nicht recht gelingen.
Fazit:
Ein als Filmbiografie getarnter Kostümfilm, der dank der Ausstrahlungskraft von Audrey Tautou, der Magie der Marke Chanel und den gut besetzten Nebenrollen eine Augenweide ist.
Juliana Schwager-Jebbink |