Draquila: Schonungslose Anti-Berlusconi-Dok über üble Machenschaften des Autokraten (Trailer und Filmkritik)
Inhalt: Am 6. April 2009 bebte die Erde in Aquila. Keine Vorwarnung, keine Unterstützung durch den Zivilschutz. Es gab mehr als 300 Tote. Alle Bewohner wurden in Hotels an der Küste zwangs-umgesiedelt. Die italienische Regisseurin Sabina Guzzanti heftet sich an die Fersen von Ministerpräsident Berlusconi und seinen Günstlingen. Sie befragt vertriebene Bewohner von Aquila, beleuchtet die unheilvollen Verflechtungen von Zivilschutz, Polizei und Ministerium, und zeigt die Hintergründe der regen Bautätigkeit ausserhalb Aquilas. Was Guzzanti mit ihren Recherchen zutage fördert, ist erschreckend. Die Leidtragenden, das sind hier die ehemaligen Bewohner von Aquila.
Kritik: Wer aus dem Off kommentiert und dabei Berlusconi als „Stronzo“ bezeichnet, der ist entweder provokativ, oder besessen von der Idee, den Cavaliere zu Fall zu bringen. Sabina Guzzanti ist beides und noch mehr. Akribisch, unerschrocken, hartnäckig und mit viel Gespür für Situation und Menschen arbeitet sie sich durch einen nahezu undurchschaubaren Filz von Günstlingswirtschaft und Korruption zur Kernthese ihrer investigativen Dok vor: Die Aquila-Tragödie als Spiegel einer korrupten Regierung. Dabei verwendet sie eine Fülle von Archivmaterial, geheime Tonbandaufnahmen, und ist stets vor Ort, wenn’s brenzlig wird. Ganz in der Tradition eines Michael Moore („Bowling for Colombine“) oder Morgan Spurlock („Super Size Me“) lässt Guzzanti nicht nur die Bilder sprechen, sondern ist in den meisten Einstellungen selbst im Bild, und spricht auch den Off-Kommentar. Im Gegensatz zu den erwähnten amerikanischen Dokfilmern ist die italienische Filmemacherin jedoch weder polemisch noch polarisierend.
Fazit: „Draquila“, ein aufrüttelnder, spannender Dokfilm über einen Premier, an dessen Hände insbesondere seit Aquila mehr als nur Pomade klebt. Ein ‚Must-see’ für jeden Italiener. Und für alle anderen kurzweilige, lehrreiche 99 Minuten italienischer Realität fern jeglicher Bella-Italia-Romantik.
Inside: Bereits mit ihrem Dokfilm „Viva Zapatero!“ über die Medien-Zensur in Italien sorgte die unerschrockene Filmemacherin, Schauspielerin und Satirikerin Sabina Guzzanti für ministeriale Verstimmung. Als „Draquila“ am Filmfestival von Cannes 2010 gezeigt wurde, rief Kulturminister Sandro Bondi zum Boykott auf. „Draquila-L’Italia che trema“ sei ein Propagandafilm, der das italienische Volk beleidige. Das sehen die befragten Personen in „Draquila“ anders. „Una dictatura di merda“ ("Scheiss-Diktatur"), so bezeichnet ein ehemaliger Einwohner von Aquila sein Land. Auch zwei Jahre nach dem Erdbeben dürfen die Bewohner nicht in ihre Häuser zurück, da immer noch alles in Schutt und Asche liegt.
Isabella Fischer
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