Videocracy: Medien, Mädels und Milliardäre - ungeschönte, spannende Berlusconi-Dok (Trailer und Kritik)
Ein Land im Banne des Privatfernsehens: Wie kein anderer nutzt Silvio Berlusconi, Medienmogul und italienischer Ministerpräsident, seine zahlreichen Kanäle zur Machterhaltung. Bizarr und apolitisch sind die gesendeten Inhalte. Hüpfende Showgirls, vor Rührung weinende Mütter und bauernschlaue Quiz-Kandidaten bevölkern die Bildschirme rund um die Uhr. Regisseur Erik Gandini wirft einen Blick hinter die Kulissen des italienischen Privatfernsehens und fühlt den Puls einiger ‚Täter' und ‚Opfer': ein als Popstar gefeierter Paparazzo, ein mächtiger Agent, ein talentfreier Casting-Kandidat...
Kritik: Bekannte und renommierte Regisseure haben sich bereits des dauergrinsenden Show-Präsidenten Berlusconi angenommen. Mal fiktionalisiert als kritischen Abgesang auf die Ära Berlusconi wie Nanni Moretti in „Il Caimano" 2006, mal als satirische Dokumentation wie Sabina Guzzanti mit „Draquila-L'Italia che trema" 2009. Der italienische Kulturminister boykottierte den Dokfilm am diesjährigen Filmfestival Cannes. Auch der italienisch-schwedische Regisseur Erik Gandini ist mit „Videocracy" in Ungnade gefallen. Nur nach zahlreichen Interventionen wurde seine Berlusconi-Satire in Venedig gezeigt. Ganz zu schweigen von den zahlreichen italienischen TV-Stationen (u.a. Rai 1), die sich bis heute weigern, „Videocracy" in ihr Programm aufzunehmen. Umso grösser nun die Neugier, was denn in Gandinis neustem Film den kleinwüchsigen Polit-Zampano und Medien-Maestro in Rage gebracht hat. Mit sparsam eingesetztem Off-Kommentar, sorgfältig ausgewähltem Archivmaterial und ungewöhnlichen Interviews zeichnet Gandini ein überaus peinliches Bild der Berlusconi Medien-Ära. Das allerdings mit Vorsicht zu geniessen ist. Denn die Fokussierung auf lediglich drei zentrale Figuren ist nicht gerade repräsentativ.
Fazit: „Videocracy" ist eine vergnügliche Berlusconi-Demontage der lustvollen Art. Aufreizende Mädels, schräge Vasallen und naive Möchte-gerne-TV Stars sorgen für anregende, authentische 85 Filmminuten. Nicht nur für Bella Italia-Fans eine ‚horizont-erweiternde' Erfahrung.
Übrigens: Italien rangiert auf Rang 73 bezüglich der Pressefreiheit.
Isabella Fischer
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