Tibi und seine Mütter: Ein Leben zwischen zwei Kulturen, mit der Kamera berührend und behutsam eingefangen (Trailer und Filmkritik)
Inhalt: 1963 kommt das siebenjährige Tibeter Flüchtlingskind Tibi Lhundub Tsering zu seiner Pflegemutter in die Schweiz. Die private Hilfsaktion eines Industriellen hat ihn aus dem Kinderheim in Dharamsala hierher gebracht. Als Ruth Graber auf dem Flughafen Zürich-Kloten ihr Pflegekind in Empfang nehmen kann, weiss Tibis leibliche Mutter nicht, wo ihr Kind ist. Kaum erwachsen, macht sich Tibi auf die Suche nach seinen Eltern. In einer Tibeter Flüchtlingssiedlung im Süden Indiens trifft er sie wieder. Doch bei allem tief empfundenen Glück, seine Mutter wieder gefunden zu haben, ahnt Tibi gleichzeitig, dass er sie für immer verloren hat. Auch wenn ihn seine Mutter vorbehaltlos akzeptiert, verstehen wird sie ihr Kind nicht mehr. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz verliert Tibi den Halt – und beinahe sich selbst.
Kritik / Fazit: 156 Kinder aus dem Tibet, ihren Eltern entrissen und in ‚wohltäterischer‘ Grosszügigkeit an Pflegeplätze in der Schweiz weitergereicht. Mit dem behördlichen Rat, die Kinder doch nicht allzu sehr zu bemuttern, da ihr Aufenthalt in der Schweiz nur einige wenige Jahre betrage. Wie verarbeitet man ein solches Trauma, insbesondere wenn es sich herausstellt, dass es keine Rückkehr gibt? Filmemacher Ueli Meier („Der letzte Navigator“) erzählt Tibis Leben als Reise zurück in die Kindheit. Es ist die Geschichte einer Entwurzelung und zugleich aber auch ein Stück Schweizer Zeitgeschichte. Wenn Tibis ‚zweite‘ Mutter vor der Kamera die schwierigen Phasen im Leben ihres Pflegesohnes als „ er ist halt nomadenhaft“ erklärt, so reproduziert sie auch heute noch die Erklärung der Schweizer Behörden von damals. Diese erklärten die Schwierigkeiten (Drogen, Unstetigkeit) mancher heranwachsenden Tibeter mit der Tatsache, dass dieses Volk eben einen nomadenhaften Charakter besässen. „Tibi und seine Mütter“ ist eine berührende Dokumentation ohne jegliche technischen Ablenkungsmanöver und ohne optischen Schnickschnack. Nur ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen Protagonist und Filmemacher vermag diese Offenheit und Intimität zu erzeugen.
Hinweis: „Tibi und seine Mütter“ ist ab 21.Feb. sowohl im Kino Bourbaki in Luzern wie auch in Zürich im Kino RiffRaff im täglichen Nachmittagsprogramm und in den Matinées zu sehen.
Isabella Fischer
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