Der alte Dr. Kyohei (Yoshio Harada), pensionierter Arzt, und seine Frau Toshiko (Kirin Kiki) sowie die Familien von zwei Geschwistern versammeln sich im Gedenken an den Tod von Junpei, dem ältesten Bruder. Er ertrank vor 15 Jahren im Meer, als er einem Jungen das Leben rettete. Junpei hätte in die Fussstapfen des Vaters treten sollen. Der zweitälteste Sohn Ryota (Abe Hiroshi) hat keine Lust, am Treffen beizuwohnen. Denn Vater Kyohei hat ihn immer der Nachfolge als unwürdig empfunden. Schliesslich überwindet sich Ryota und erscheint in Begleitung seiner zweiten Frau und des Stiefsohns zum Treffen. Zuerst schwelgt die ganze Familie in Erinnerungen. Aber das scheinbar harmonische Familientreffen zeigt im Laufe von 24 Stunden des Zusammenseins feine Risse auf, die auf eine unbewältigte Vergangenheit verweisen.
Regisseur Hirokazu Kore-eda ist der perfekte Vertreter der japanischen Kinokunstform ‚stille, hintergründige, aktionsarme' Filme. Seit seinem meisterlichen Wurf "Nobody Knows" ist er weltweit kein Unbekannter mehr. Seine Spezialität: dem Seelenleben von Menschen nachzuspüren. Unter all seinen wunderbaren Werken ist "Still Walking" vermutlich der persönlichste. Kore-eda: "Der Film ist zwar eine Fiktion, ich habe mich aber auf die Persönlichkeit und den Wortschatz meiner Mutter abgestützt". So lotet er unspektakulär den Mikrokosmos einer Familie aus, anlässlich einer ganz speziellen Zusammenkunft. Während 24 Stunden beobachtet er Grosseltern, Kinder und Enkel bei deren Versuch, das Verbindende über das Trennende zu stellen. Diese Familie wird von einem hervorragenden Schauspielerensemble gespielt, bei dem drei herausragen: You ("Nobody Knows"), Hiroshi Abe ("Hero"), Kirin Kiki ("Tokyo Tower").
Fazit: Unaufgeregt aber präzise. Ein psychologisches Meisterstück von sinnlicher Raffinesse. Norbert Creutz von "Le Temps" bringt es auf den richtigen Punkt: "Dies ist einer der wahrsten Filme über das Familienleben den wir je gesehen haben". Auf jeden Fall kein Allerweltsfilm, sondern ein Film für die Freunde des subtilen Kinos.
Benny Furth
Still Walking (?Aruitemo aruitemo?) / Familiendrama / Regie und Buch: Hirokazu Kore-eda / Japan 2008 / mit Abe Hiroshi, Yui Natsukawa, Kazuya Takahashi, Kirin Kiki u.a. / Verleih: Trigon-Film / 114 Minuten / Kinostart 17. September 2009