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Jacques Tati in Zürich

 

Jacques Tati mit Benny Furth (Trailer aus "Trafic" 1971)

 

EIN TAG MIT EINEM UNKOMISCHEN KOMIKER

Wir erzählen hier eine kleine Geschichte anlässlich der Premiere von “L’Illusionniste”, einem Film nach einem unveröffentlichten Originalscript von Jacques Tati. In der Hauptrolle ein zwar ‚gezeichneter’ aber ‘authentischer’ Jacques Tati, der 1907 als Jacques Tatischeff geboren wurde (gest. 4.11. 1982). (Kinostart 14. Oktober, Besprechung auf www.meinkino.ch)

Damals war alles anders. Damals, das waren die Siebziger Jahre. Da konnten es sich die Film-Promotionsfirmen leisten, einen Star für einen Tag nach Zürich einfliegen zu lassen. Und eine ‚Escorte’ aufzubieten, um dem Herrn oder der Dame aus dem Filmgeschäft die Stunden vor und nach der Filmpremiere ‚anregend’ zu gestalten. Für den französischen Komiker Jacques Tati aufgeboten wurde Benny Furth, seines Zeichens Filmjournalist, Sprachtalent, Chefredakteur, Kleinunternehmer.

Pünktlich um 9 Uhr in der Früh standen er und ein Herr vom Verleih am Flughafen, um den berühmten Künstler zu empfangen. Die Laune des Ankömmlings aus der Grande-Nation war ganz dem Wetter angepasst. Es regnete in Strömen. Lag es am bevorstehenden Bonsoir-Merci-Dernière-Question-Premierenanlass seines neuesten Filmes „Trafic“, den er als lästiges Pflichtprogramm seines erfolgreichen Künstlerdaseins hinter sich bringen musste? Er war freundlich, aber alles andere als komisch. Eigentlich war er ganz der mürrische Monsieur Hulot, den er in seinen zahlreichen Filmen interpretierte. Monsieur Tati sprach wenig, vermied Antworten, und stellte einige Fragen an seine ‚Escorte’ : Warum sind die Schweizer nicht wie die Franzosen? Welche Filme mag man in der Schweiz?

Nach diesem etwas ungewöhnlichen Interview zog sich Tati in seine Hotelsuite zurück und ordnete an, dass der Journalist in drei Stunden wieder aufzukreuzen hatte. Dieser stand am späten Nachmittag im Hotel-Foyer und los ging es zu Fuss durch die Bahnhofstrasse, Einkaufshäuser und Boutiqen. Die Stimmung war immer noch ziemlich auf dem Nullpunkt. Sie schien sich auch vorerst nicht zu heben. Denn bisher hatte nur ein Fan den gutgekleideten Herrn mit graumeliertem Haar als Tati erkannt. Wo doch toute la France ihn, den berühmten Komiker, auf der Strasse aufs Freundlichste grüsse. Zum Diner wurden Tati und sein inzwischen etwas bedrückter Begleiter vom Besitzer des Premierenkinos eingeladen. In die Villa des damaligen Kino-Tycoons Dr. Eric Scotoni. Doch auch diese exklusive Tafelrunde im kleinen Kreise vermochte den Komiker nicht zu amüsieren. Eigentlich sei er mehr für die grossen, luxuriösen Empfänge zu haben, bemerkte Frankreichs grosses Talent zwischen zwei kleinen Schlucken Wein. So waren denn alle erleichtert, als die Stunde der Premiere nahte, im Kino Wellenberg. Geplant war, dass Tati vor dem Film einige Worte sprach, und nach der Vorführung im Foyer mit Autogrammkarten auf die Fans wartete. Pas de conversation, winkte der illustre Gast ab. Dessen Wunsch war es, im Publikum die Reaktionen auf seinen Film mitzuverfolgen. Quel Désastre, das Premierenpublikum amüsierte sich nicht wie erwartet. Und was dann folgte, musste dem erfolgsverwöhnten Mimen wohl einige graue Haare mehr beschert haben. Die Premierengäste strömten dem Ausgang zu, vorbei an Tati und seinem Autogrammtischchen. Kaum einer blieb stehen, um dem französischen Star für eine Signatur-Länge nahe zu sein. Was für ein Malheur! Das letzte Quentchen Contenance verflüchtigte sich wie die treulosen Lichtspielgäste.

Tati war stocksauer. Wie so oft nach Premieren war ein später Imbiss eingeplant. Echt schweizerische Kost, die entspanntes Zusammenrücken versprach. Da es aber bereits kurz vor Mitternacht war, empfand der Gastronom die Zubereitung von Fondue als Zumutung. Tati hin- oder her. Was konnte diesen betrüblichen Promotion-Tag noch retten? Auf dem Weg zurück ins Hotel ordnete Tati an, dass Furth ihm eine oder zwei Damen des horizontalen Gewerbes ‚anschaffe’. Er wolle Ideen für sein nächstes Projekt ‚Hurenkomödie’ sammeln. Des Gastes Wunsch ist der Escorte Befehl. Vielleicht lag es am fehlenden Talent des Schreiberlings für die Prostituierten-Aquise. Innert nützlicher Frist liess sich keine Dame bewegen, dem älteren Herrn in sein Etablissement zu folgen. Keine Fans, kein Käse, keine Pläsierchen. Um ein Uhr in der Früh verabschiedete sich der Journalist von einem unkomischen Komiker, der schwer enttäuscht von Zürich und den Zürchern war.

Aufgezeichnet von Isabella Fischer

 

Übrigens: Dem Streifen  “Trafic” war zuerst wenig Erfolg beschieden. Jahre später erreichte er jedoch Kultstatus.  

Filmkritik zu "L'Illusionniste" ->HIER

 

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